Evangelische Kirchengemeinde Zur Heimat
  19.4.2024 · 12:57 Uhr
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Predigten
 
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7. Sonntag nach Trinitatis, 7.8.2011, 10.00 Joh 6,30–35
Abendmahl
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen.
Liebe Gemeinde,
viele kommen jetzt aus den Ferien zurück, sind erfüllt von wunderbaren, unvergesslichen Eindrücken, haben Neues kennen gelernt, manche sogar die Sonne gesehen und gefühlt! Wer weit von zu Hause weg war, hat sich vielleicht geübt, eine fremde Sprache zu sprechen, hat ungewohnt interessantes Essen probiert und die eine oder spannende Idee für den Alltag zu Hause, hier in Berlin mitgebracht. Und wenn man dann fragt, worauf sich die Reisenden denn gefreut haben bei der Rückkehr nach Hause, dann lautet sehr, sehr häufig die Antwort: Auf das Brot. Denn wir haben so unendlich viele verschiedene Sorten von Brot, so dass jeder etwas für seinen Geschmack finden kann. Helles Brot, dunkles Brot, Weißbrot, Sauerteigbrot, Körnerbrot aus allen nur denkbaren Getreidesorten, Brot mit Möhren oder Mais oder Nüssen – die Regale unserer Bäckereien sind voll gefüllt mit allen nur denkbaren Sorten von Brot. Aber auch, wenn bei uns die Variationsbreite größer ist als anderswo, Brot ist in sehr vielen Ländern und Kulturen ein Grundnahrungsmittel, das zu jeder Mahlzeit gereicht wird. Wie festlich und reichhaltig auch der Tisch gedeckt sein mochte, zur Zeit Jesu bildete das Brot die Grundlage eines jeden Essens. Der Hausvater sprach den Segen über das Brot, riss es in Stücke und teilte es an alle aus, die am Tisch saßen. Dieses Brotstück diente dann gleichsam als Löffel, um Gemüse, Käse und bei Festessen auch die Fleischgerichte damit aufzunehmen. Solange noch Brot auf dem Tisch lag, war die Mahlzeit noch nicht beendet. In der Bibel gibt es unendlich viele Brotgeschichten, die von Mangel und Fülle, Entbehrung und Segen, Hunger und Reichtum erzählen. Eine dieser Geschichten haben wir als Evangelium gehört (Joh 1–15) und die Fortsetzung, gleichsam die Erläuterung dieser Geschichte, bildet unseren Predigttext Johannes 6,30–35:
30 Da sprachen sie zu ihm: was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du?
31 Unsere Väter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht (Psalm 78,24): „Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.“ (2 Mo 16,13)
32 Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater im Himmel gibt euch das wahre Brot vom Himmel.
33 Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben.
34 Da sprachen sie zu ihm: Herr gib uns allezeit solches Brot.
35 Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten. (Joh 4,14; Joh 7,37)
Die Fragenden spielen auf eine weitere biblische Brotgeschichte an: Damals, so beharren sie, einstmals als Mose das Volk Israel aus der Knechtschaft, aus dem ägyptischen Sklavenhaus in die Freiheit geführt hat, da regnete es Manna in der Wüste, damit niemand verhungern und verdursten musste. Aber Jesus berichtigt sie; nicht Mose war es, der diese Art von Wunder und Bewahrung wirken konnte. Gott selber hat sich seines Volkes angenommen wie ein Vater und hat ihnen Brot gegeben, damit alle satt werden konnten, damit alle wissen konnten, dieser Weg ist der Richtige. Damit alle spüren konnten, unser Gott meint es gut mit uns, unser Gott lässt uns nicht allein in dieser Wüste verderben. Nicht nur der Hunger und Durst gestillt, der in den Eingeweiden wühlt, fast besinnungslos macht. Sondern das Brot, das aus dem Himmel kommt, schenkt das Leben. Aber die Fragenden verstehen immer noch nicht. Hoffnungsvoll bitten sie Jesus, ihnen solch ein Brot zu geben; nicht nur einmal, nicht nur vierzig Jahre in der Wüste, sondern allezeit, immer. Und Jesus antwortet: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten.
Liebe Gemeinde,
Jesus selber das Brot des Lebens. Das weckt unweigerlich die Assoziation zum letzten Abendmahl: Jesus nimmt das Brot, dankt und bricht es. Er gibt es seinen Jüngern und sagt: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; solches tut zu meinem Gedächtnis. Nach dem Essen spricht er die Worte über dem Weinkelch: Nehmet hin und trinket alle daraus. Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das vergossen wird zur Vergebung der Sünden; solches tut, sooft ihr's trinket, zu meinem Gedächtnis.
In Brot und Wein die untrennbare Verbindung zu Jesus Christus. In Brot und Kelch schenkt er sich uns hin. Alles, alles haben wir ihm, haben wir seiner Liebe zu verdanken. Unsere Schuld? Zählt nicht mehr. Das, was wir waren und niemals sein wollten? Hat keine Bedeutung mehr in der neuen Gemeinschaft. In der Gemeinschaft, zu der uns Jesus Christus selber einlädt.
Anders als die drei anderen, überliefert uns Johannes nicht die Worte über Brot und Kelch bei Jesu letzten Abendessen mit seinen Freunden. Aber eben diese Worte als er die große Menschenmenge mit fünf Broten und zwei Fischen satt gemacht hatte: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten.
Wir haben gehört, dass die Menschen, die Jesus fragen, sich an das Mannawunder bei der Wanderung durch die Wüste, die Erlösung aus der Sklaverei in Ägypten erinnern. In den Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas wird das letzte Abendessen als Passahmahl Jesu mit seinen Freunden erzählt; die Erinnerung an die Befreiung aus der Knechtschaft. Gott, den das Leiden seines Volkes dauert, der Freiheit schafft und sein Volk herausführt aus dem Elend und dem Leiden.
Und wir? Was erwarten wir eigentlich noch vom Abendmahl? Was bedeutet uns das Abendmahl? Ich kenne viele, die sich schwer tun und nicht gerne hingehen, die lieber sitzen bleiben, wenn im Gottesdienst Abendmahl gefeiert wird. Bei unserem Gemeindeabend zum Thema „Gottesdienst“, sind ein paar der Punkte angesprochen worden, die Menschen in unserer Gemeinde bewegen.
Früher war es bei vielen Protestanten üblich, nur zweimal im Jahr Abendmahlsgottesdienst zu feiern. Das war dann eine ernste und feierliche Angelegenheit. Karfreitag und am Ewigkeitssonntag. Tod und Sterben rücken in den Mittelpunkt des Gedenkens. Die Erinnerung daran, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist. Die Mahnung Paulus' an die Gemeinde in Korinth, dass sie sich zum Gericht essen, wenn sie unwürdig an der Mahlfeier teilnehmen. Gemeinden, die auf diese Art das Abendmahl feiern, haben große Sorge, auch Kinder am Abendmahl teilnehmen zu lassen. Erst nach den Unterweisungen im Konfirmandenunterricht, so war das selbstverständlich, waren Jugendliche darauf vorbereitet, würdig am Abendmahl teilnehmen zu können. Dieser Akzent der Abendmahlsfeier schafft ein banges Gefühl im Herzen: „Bin ich wirklich würdig, da nach vorne zu gehen und Brot und Wein zu empfangen? Wiegen nicht meine schlechten Gedanken zu schwer? Sind nicht schon meine Zweifel verboten?“ Dieser Akzent der Abendmahlsfeier macht das Herz schwer und legt eine große Verantwortung auf mein eigenes Handeln und Reden und Denken.
Abendmahl aber ist noch viel mehr. Jesus sagt: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten. Das ist die Einladung an alle, zu ihm zu kommen, Ihm Vertrauen zu schenken. Die große Einladung in die Gemeinschaft all derer, die sich trauen, nicht zu akzeptieren, dass die Welt so sein muss, wie sie nun einmal ist. Die sich trauen, Liebe gegen den Hass zu setzen. Die sich trauen, Worte von Barmherzigkeit zu sagen. Die sich trauen, in einer Gemeinschaft zu leben, wo auch die einen Platz finden, die komisch sind, oder schwach, oder traurig, oder anstrengend. Gemeinden, die den wichtigsten Akzent des Abendmahles in der Betonung der Gemeinschaft untereinander sehen, können sich öffnen. Wenn alle eingeladen sind, dann dürfen auch Kinder kommen und teilnehmen. Auch Menschen, die nicht verstehen, weil ihnen diese Gabe des Geistes nicht gegeben ist. Auch alte Menschen, die vergessen, denen die Erinnerungen abhanden kommen. In diesem Geiste des Abendmahles wird aus Rücksicht auf die, die keinen Alkohol trinken, Traubensaft in die Kelche gefüllt.
Und trotzdem bleiben Fragen offen, die auch einmal angesprochen werden müssen: Und wenn nun alle vorne stehen – bei uns in der Kirche rund um den Altar – wie sollten dann die Schale und der Kelch weitergegeben werden? Ist das nicht die Aufgabe des Pfarrers oder Pfarrerin und vielleicht noch des Helfers, der Helferin? Oder soll ich jetzt die Schale und den Kelch weitergeben? Und was sage ich dann?
Wenn Pfarrerin und Helfer mit der Schale und dem Kelch herumgehen und jedem einzeln Brot und Kelch geben, dann hat das ein großes Gewicht und ist ein starker Zuspruch: „Christi Leib für dich gebrochen. Christi Blut für dich vergossen.“ Wenn aber die um den Altar versammelte Gemeinde sich untereinander Schale und Kelch weitergibt, dann ist das ein starkes Zeichen für die Gemeinschaft untereinander, die sich untereinander hält und bestärkt. Diese Gemeinschaft muss dann ertragen, dass der eine oder andere eben nicht so ganz genau weiß, welche Worte beim Weitergeben gesagt werden, oder nicht „Amen!“ antwortet, wenn er Brot und Kelch empfängt.
Kelch Schweizerhof Ich habe davon erzählt, dass zu Jesu Zeiten, das Brot den Löffel ersetzte und ganz selbstverständlich wurde von allen aus einer gemeinsamen Schüssel gegessen. Und dass ein Kelch einfach weitergereicht wurde, war ebenso selbstverständlich. Für uns aber nicht. Jeder ist es gewohnt bei den Mahlzeiten mit dem eigenen Besteck vom eigenen Teller zu essen und aus einem eigenen Becher und Glas zu trinken. Und ich weiß, dass es einigen Mühe macht, dass sie nun beim Abendmahl zusammen mit anderen aus einem Kelch trinken sollen. Man denkt an Ansteckung bei Infektionen. Einige nehmen deshalb am Abendmahl gar nicht mehr teil. Andere behelfen sich, indem sie die Oblate in den Kelch eintauchen. – Bei unseren katholischen Schwestern und Brüdern ist das anders; da trinkt in der Regel nur der Priester stellvertretend für die Gemeinde aus dem Kelch. Um darüber reden zu können, muss man in der Geschichte zurückblicken: Voller Sorge, dass etwas Messwein verschüttet werden könnte – und damit eben etwas von Jesu Blut verschüttet werden könnte – verzichtete die Kirche seit dem frühen Mittelalter darauf, auch an die Gemeinde, also die Laien, den Wein auszuteilen. Den Reformatoren aber war der biblische Wortlaut besonders wichtig und sie betonten, dass wir bei den Einsetzungsworten Jesu über dem Kelch hören: „Nehmet hin und trinket alle daraus.“ Auch für diese Glaubenserkenntnis haben Anhänger und Streiter der Reformation im wahrsten Sinne des Wortes: gebrannt. – In der Ostkirche gab es diese Sorge und die Unterscheidung nicht: Schon bei der Taufe wird dem Säugling ein wenig in Wein aufgelöstes Brot eingeflößt, damit er Anteil hat am Abendmahl.
Liebe Gemeinde,
und wir? Was erwarten wir eigentlich noch vom Abendmahl? Was bedeutet uns das Abendmahl? Fühle ich mich eingeladen? Wer lädt eigentlich ein? Die Kirche? Der Pfarrer, die Pfarrerin? Als Pfarrerin fühle ich mich sehr erleichtert, dass ich nur zu verwalten habe; Gastgeber und Einladender das ist Jesus Christus selber! Heute in unserem Predigttext hören wir ihn sagen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten.
Frühstück, Mittag, Abendessen und zwischendurch jede Menge Snacks – wie das heutzutage genannt wird; wir kennen ihn nicht den bohrenden, beängstigenden Hunger und Durst. Umso quälender der Hunger danach, gesehen zu werden, wahrgenommen zu werden. Der Hunger nach Anerkennung. Der Hunger nach einem guten Wort und liebevoller Aufnahme. Der quälende Hunger danach, so sein zu dürfen wie ich nun einmal bin. Jesus Christus sagt: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten.
Amen.
Pfarrerin Irene Ahrens-Cornely