Evangelische Kirchengemeinde Zur Heimat
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Predigten
 
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Quasimodogeniti, 15.4.2012, 11.00 Kolosser 2,12–15
befreit leben
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
12 Mit ihm seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten.
13 Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden.
14 Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet.
15 Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus.
Kolosser 2,12–15
Wenn es so einfach wäre, liebe Gemeinde: In den Fußgängerzonen, die dazu da sind, den Mächten und Gewalten unserer Zeit zu huldigen, die unsere Gesellschaft am Laufen halten, sie schmieren sozusagen: die entscheidenden Lager fetten – mitten hinein in das in eine ganz andere Richtung laufende Gewühl die heiligen Schriften zu verteilen: Dann doch möglichst das Neue Testament, denn nach Ostern soll „Auferstehung“ sprechen. Aber das ist ja passiert, es mangelt nicht am Bekanntheitsgrad der biblischen Schriften, manchmal im Gegenteil: Es stehen unvermittelte Bruchstücke christlicher Verkündigung ihrer einladenden Wirkung geradezu im Wege. Es sind nicht Schlagworte und provokante Thesen, griffige Einsprüche und Mitteilungen, die den christlichen Glauben ausmachen: Es ist mehr als ein Nachplappern, Nachbeten von ein paar gültigen Wahrheiten, die dann auch noch möglichst auf der Hand liegen, lernbar, klar und widerspruchsfrei. Wir haben ja praktisch die Fußgängerzonen-Streuinformationsaktionen schon hinter uns: Bibeln in jedem Hotelzimmer, wogegen überhaupt nichts spricht, was aber nicht automatisch Wirkung zeitigt. Jörg Zink und ach so viele Filme haben das Buch der Bücher entstaubt und populär gemacht. Damit aber ist nicht alles geklärt, manchmal im Gegenteil: Im irrlichternden Bewusstsein dessen, dass ich es ja weiß, gelesen habe, dringt nichts mehr wirklich vor, wird dem Wort nichts mehr zugetraut: Ich habe es ja gelesen, obenhin, verstanden, es hat nicht durchschlagend überzeugt, in mancher Hinsicht mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Verstehen sie mich richtig: Es ist nichts dagegen zu sagen, den Koran zu lesen, die Salafisten können auch nur den Originaltext anbieten. Das gefährliche daran ist die beanspruchte Deutungshoheit und der damit verbundene Anspruch der Ausschließlichkeit.
Wir haben in dem Stück Kolosserbrief einen Abschnitt vor uns, der sich einer aufklärerischen Aufgabe stellt: Die behauptete Auferstehung Jesu Christi konkret zu machen, hineinzusprechen in gelebtes Leben, nicht nur in eine Theorie über das Leben, die alles fern hält. Denn damit muss der österliche Glaube irgendwie klar kommen: Die weltumstürzende Auferstehungsbotschaft und den völlig unbeeindruckt fortlaufenden Gang der Dinge miteinander in Einklang zu bringen. Spricht nicht eine Welt, die größenwahnsinnige Raketen abschießt und damit doch nur beeindrucken, erpressen will, dagegen, dass irgend etwas anders ist? Eine Welt, in der vor dem Waffenstillstand schnell noch mögliche Widerstandsnester platt gemacht werden und es den Freiheitskämpfern nicht wirklich zugetraut wird, ein Land wirklich zu befrieden, vielleicht sogar im Gegenteil die bisher zugedeckten Konflikte erst richtig zum Ausbruch zu bringen? Eine Welt, die aberwitzige Verhandlungen führt mit einem Land, das sich nicht nur einen völlig ausgetickten Präsidenten leistet und nebenbei – aber darüber wird gar nicht verhandelt – öffentlich immer wieder Morddrohungen übelster Art ausstößt? Eine Welt, die auf der anderen Seite keine andere Möglichkeit hat als diese Verhandlungen, will sie denn nicht einen Flächenbrand riskieren? Es ist, was wir in den Nachrichten zu sehen bekommen, immer auch ein Balancieren am Abgrund – über einem Abgrund ohne Netz: Es droht die Apokalypse viel realer als jemals in den Zeiten, die sie zitternd an die Wand gemalt haben.
Es ist wahr: Ostern muss erst einmal im Kleinen sprechen, vor den großen Zusammenhängen erst einmal im Leben von Einzelnen oder Gruppen, sprich: Gemeinden, ankommen. Das jedenfalls hat sich der Kolosserbrief vorgenommen. Drei Bilder liefert er dafür in unserem Abschnitt.
12 Mit ihm seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten.
13 Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden.
Das Erste:
Leute, mit der Taufe seid ihr hineingenommen in dieses Geschehen, seid ihr dabei, geht es euch direkt an. Begraben: Das heißt – und das ist gut so – dem Vergessen überantwortet. Ein Grab ist beides: Ein Erinnerungsmal, das dem gelebten Leben eines Menschen einen Ort gibt, nicht entsorgt, abgetan, erledigt, sondern gewürdigt. Aber eben auch: Ein Ort anderswo, außerhalb. Das Leben geht weiter, und du gehörst nicht mehr dazu. Wir tun keinem Menschen eine besondere Ehre an, wenn wir ihn behalten wollen, nicht loslassen, und das Leben um seinetwillen anhalten. Das ist nicht das, was er – was sie, der/die Verstorbene wollen konnte. Im Gegenteil: Lebe weiter auf dem Weg, den wir gemeinsam gegangen sind, ich bleibe zurück und will dir keine Last sein. Mit der Taufe ist ein Stück von uns begraben, erinnert der Kolosserbrief. Mit der Auferstehung leben wir, neu und ganz anders, nicht in Erinnerungen, sondern von anderswoher: Mit der Auferstehung leben wir nun in der Kraft Gottes, die Jesus aufzuerwecken vermocht hat. Lasst doch hinter euch, was euch fesseln will, ablenken, lähmen, verbittern, beschäftigen. Lasst hinter euch, was euer Leben gefangen hält, was ihr verdorben habt, nicht auf die Reihe bekommt. Lebt! Lebt neu, fangt wieder an! Lasst eure Vergangenheit hinter euch, nicht an ihr wird entschieden, wer ihr seid.
14 Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet.
Das Zweite ist die Geschichte mit dem Schuldbrief,
ein einfaches Bild: Mit dem Leben eine Geschichte schreiben, die leider immer wieder offene Rechnungen erzeugt. Unsere Lebensgeschichte: Eine Summe immer wieder von Scheinerfolgen, an denen wir uns aufrichten, berauschen, die wir erzählen müssen, um endlich die Helden sein zu können, die wir gern wären. Von Scheinerfolgen und glattem Versagen: Mist gebaut, ich, damals, jetzt, zu oft ... Sei’s drum: Nehmt die Summe eures Lebens, einen Zettel – nagelt ans Kreuz. Nein: Dort ist er schon, angeheftet, dem großen Vergessen anheim gestellt, die Loslösung davon amtlich mitgeteilt, vergeben, vergessen, Konto gelöscht. Ein großartiges, weil so einfaches Bild – wenn es denn so einfach wäre. Und: Nicht wir müssen das tun, aufschreiben, annageln: Er hat es getan. Das ist die Geschichte! Leute, es ist aus, vorbei, erledigt. Und in diesem Fall ist das einmal eine gute Nachricht. Dieses Aus und Vorbei muss ankommen bei uns – das ist die Oster-, in diesem Fall: die Nachosterbotschaft.
15 Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus.
Das Dritte sind die Mächte und Gewalten –
vielleicht am schwersten zu verstehen, abzugleichen mit unserer Erlebenswelt: Wir rechnen nicht mit Dämonen und Teufelchen, die die Suppe verderben, ihren Spaß am Untergang haben. Wir rechnen nicht mehr mit dem gezielt Bösen, mit dem Zug nach unten. In Krimis gibt es deshalb immer, wenn der Mörder endlich überführt ist und nicht mehr anders kann als gestehen, die nassforsche Gegenfrage: Was hätte ich denn tun sollen? Im Gefolge einer anfänglichen verhängnisvollen Verstrickung war es unvermeidlich, dann auch so zur Tat zu schreiten. Legendär ist die politische Dekretierung: Es gibt keine Alternative. Es gibt sie nicht, wenn man/frau sie nicht will und wenn die Voraussetzungen sie nicht zulassen wollen. Dieses Gefangensein in den Voraussetzungen, der Zwang, dann den Weg weiter zu gehen – das ist die Unterwerfung unter das, was hier gemeint ist: Mächte und Gewalten, die die Thronwacht halten. Naiv ist nicht der, der mit Mächten und Gewalten rechnet – naiv ist der, der es leugnet: dass es solche Zwänge gibt, die scheinbar ausweglos zu etwas zwingen, was man eigentlich nicht wollen kann. Die Konsequenz der bösen Tat, manchmal auch der guten und der gut gemeinten Tat. Die Unterwerfung unter das, was alle wollen oder zu wollen scheinen, das Mitmachen in einem Mainstream, von dem keiner weiß und sagen kann, warum das so ist: Mode ist eine der billigsten Ausreden, Gruppenzwänge, veröffentlichte Meinung, die diese einfache Frage „Warum eigentlich?“ vorsichtshalber erschlägt. Auferstehung heißt: Es gibt immer eine Alternative! Niemand muss als Konsequenz seiner Voraussetzungen etwas tun, was er eigentlich nicht will. Auferstehung heißt: Es ist ein Abstand zwischen der Gegenwart und der Zukunft. Niemand muss einfach immer nur fortsetzen. Alle haben die Chance, neu anzufangen.
Das ist übrigens etwas, was der Kolosserbrief eindrücklich bietet: Eine Perspektive für alle. Auferstehung gibt es nicht nur für die Eingeweihten – Jesus ist als der Auferstandene die Chance für alle. Es geht nicht um kleine Nester des Wohlfühlens trotz allem – es geht um die Rettung des Alls, nicht weniger. Auferstehung ist kein Wellnessangebot – Auferstehung ist ein Neuanfang, eine Einladung an alle und jeden. Auferstehung ist die Neuausrichtung unserer ganzen, eingefahrenen Welt. Auferstehung ist die Regierungserklärung Gottes und die Bankrotterklärung der Mechanismen des Unmenschlichen, die uns bisher für sich reklamiert haben, oft genug eingespannt und in jedem Fall missbraucht: Die kalten Mechanismen des Unmenschlichen haben keine Chance mehr, sich durchzusetzen. Jetzt, nach Ostern, herrscht ein anderer.
Amen
(Pfarrer Hartmut Scheel)