Evangelische Kirchengemeinde Zur Heimat
  20.4.2024 · 13:29 Uhr
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Predigten
 
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2. Sonntag nach dem Christfest, 4.1.2015, 11.00 1. Joh 5,11–13
yolo
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen.
Jugendliche haben ja ihre ganz eigene Sprache und Ausdrücke. Für Außenstehende, so wie mich als Mutter, ist das nicht verständlich. Mein Konfirmanden-Sohn hat dann so ein verschmitztes Lächeln und sagt etwas herablassend zu mir: Yolo, Mama. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann kann das soviel heißen wie: chill doch mal, Mama, entspann dich! Oder so etwas wie: Ist doch egal. Und ich frage ihn, was das bedeuten soll: Yolo! Es ist ein Kurzwort, das sich aus Anfangsbuchstaben zusammensetzt und heißt: you only live once! Du lebst nur einmal. Yolo. Also gilt es, aus diesem einen Leben all das herauszuholen, was nur herauszuholen geht. Yolo. Also: jetzt das machen, was ich schon immer machen wollte. Keine Zeit verschwenden mit unnötigen Dingen. Sich nicht belasten mit schwierigen oder enttäuschenden Dingen. Jetzt und hier muss die Zeit genutzt und klug eingesetzt werden. Yolo. Jetzt und hier.
Recht haben sie, die Jugendlichen: Darauf kommt es wirklich an, dass wir jeden Moment gut nutzen und für das einsetzen, was wirklich wichtig ist im Leben. Diese Weisheit wird uns immer wieder ins Gedächtnis geschrieben in unterschiedlichen Formulierungen. Nutze den Tag – carpe diem, denn die Zeit, die Lebenszeit ist endlich und begrenzt. Da ist es wichtig, die Lebenszeit zu formen und zu gestalten. Es ist wichtig, etwas daraus zu machen. Und es ist gut und wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, wie man dieses, sein eigenes Leben gestalten will. Welche Vorzeichen will man vor sein Leben setzen? Es ist ja nicht ganz leicht, in diesem Leben zu bestehen, eine Balance zu finden zwischen Anstrengungen und Entspannung, Arbeit und Ausruhen, Verbundenheit zu anderen und Alleinsein. Und oft genug scheitern Menschen an diesen Anforderungen, stranden, kommen zu Fall.
Liebe Gemeinde, ich lese den Predigttext noch einmal in der Übersetzung der Basisbibel:
11 Darin besteht diese Zeugenaussage: [Gemeint ist hier die Zeugenaussage Gottes.] Gott hat uns das ewige Leben gegeben. Und es ist sein Sohn, durch den wir dieses Leben bekommen.
12 Wer mit dem Sohn verbunden ist, hat das Leben bekommen. Wer nicht mit dem Sohn Gottes verbunden ist, hat auch das Leben nicht bekommen.
13 Dies alles habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst: Ihr habt das ewige Leben. Denn ihr glaubt an den Namen dessen, der Gottes Sohn ist.
  1. Brief des Johannes
Liebe Gemeinde, wir stehen am Anfang eines neuen Jahres, das noch ganz unbeschrieben und erwartungsvoll vor uns liegt. Die Kalenderseiten sind noch leer und leuchtend weiß. Noch lassen sich viele Dinge eintragen und vornehmen und planen. Vielleicht findet sich in diesem Jahr ein fester Wochentag, an dem man zum Sport gehen könnte? Oder man könnte endlich einmal den schon lange angekündigten Besuch machen. Man könnte sich ein Datum setzen, bis zu dem man abgenommen haben will. Gute Vorsätze fassen, um einen Neuanfang zu setzen. Anfänge bergen in der Tat einen Zauber, weil alles möglich erscheint. Aber in der Rückschau haben die guten Vorsätze sich dann doch nicht so umsetzen lassen wie erwartet: zu schnell alle Daten vergeben, wichtige andere Termine mussten berücksichtigt werden. Alles andere hatte Vorrang und so ist die Zeit wiederum verronnen, ohne dass wir das haben umsetzen können, was wir uns vorgenommen hatten. Ein Jahr vergeht wie im Fluge und noch eines und noch eines, und auf einmal betrachten wir unser Leben nicht mehr als eine Vielzahl von Möglichkeiten, die vor uns liegen, sondern halten Rückschau auf das, was war. Und wir erkennen womöglich die Hoffnungen, die sich zerschlagen haben, die Versuche, die gescheitert sind, die Aussichten die vereitelt wurden.
Und auch die kurzen knappen Verse aus dem Brief des Johannes haben es wirklich in sich; da geht es ans Eingemachte. Zeugnis, Leben, ewiges Leben, Glauben und der Sohn – das sind die Stichworte des ersten Hörens und schwierige Kost.
Für viele Menschen ist das kein sehr verlockender Gedanke: das ewige Leben. Unendlich soll sich das fortsetzen, was uns jetzt und hier schon Mühe bereitet? Und wie sollte man sich das auch vorstellen? Immer und ewig leben. Oder doch nur so eine billige Vertröstung wie im Mittelalter, um Menschen zu knechten und ruhig zu stellen: hier und jetzt ist das Leben elend und mühselig und aufreibend, und das gilt es zu ertragen, weil es dann – später einmal, irgendwann besser wird. Und keiner kann wirklich wissen, was einen dann später einmal, irgendwann erwarten wird. Nein, dann doch lieber Yolo – jetzt die Zeit und Stunde nutzen und auskosten, wer weiß denn schon, was uns morgen erwartet. Denn am Ende, so lehrt es uns die Erfahrung, sind doch alle Menschen sterblich. Letztlich ist es doch nur dieses eine Leben, das uns zur Verfügung steht. Und das macht Angst. Was sollen wir dann in der Rückschau wohl einmal zu sehen bekommen?
Der Johannesbrief sagt es aber anders: Gott schenkt uns ewiges Leben. Es wird uns zugesagt, dass wir das ewige Leben schon jetzt haben. Und damit meint die Bibel nicht ein immer und ewig sich fortschreibendes Leben, sondern ein Leben mit einer besonderen Qualität. Ein sich erfüllendes Leben. Ein Leben, in dem die Fülle sichtbar und spürbar und erfahrbar wird, die Gott uns zugedacht hat. Es ist schon richtig, dass auch die Bibel das ewige, das erfüllte Leben vom Ende her denkt, von dem, was uns am Ende aller Zeiten einmal erwarten wird. Wir können nicht wissen, was einmal sein wird, aber Menschen haben schon immer davon geträumt und es sich ausgemalt, wie es einstmals in Gottes Reich sein wird. Eines der schönsten Bilder ist für mich die Vision aus dem Buch des Propheten Jesaja, der den neuen Himmel und die neue Erde beschreibt: Die Menschen werden voller Frieden beieinander wohnen, sie werden die Häuser, die sie bauen auch bewohnen. Sie werden von dem Brot satt werden, dessen Korn sie selber geerntet haben. Sie werden mit dem Wein feiern, der in ihren Weinbergen wächst. Sie werden voller Stolz mit ihren Söhnen und Töchtern leben und mit den alten Menschen in ihrer Mitte. Das, so stellt es sich Jesaja vor, bedeutet erfülltes Leben in der Nähe von Gott. Nicht sehr spektakulär. Nicht sehr Aufsehen erregend. Normal. Und dennoch hat diese Vision eine große Qualität: In Frieden beieinander zu wohnen, das heißt doch, dass einer den anderen annimmt, so wie er nun einmal ist. Frieden setzt voraus, dass man sich wertschätzt, dass man gut voneinander redet, dass man alles dazu tut, für andere da zu sein. Frieden heißt, dass man sich untereinander hilft und unterstützt, so dass jeder zum Gelingen der Gemeinschaft beiträgt. Und in solch einer Gemeinschaft, da werden alle gebraucht: auch die, die scheinbar noch nichts oder gar nichts mehr dazu beitragen können. Und zu einem erfüllten Leben gehört offenbar auch die Arbeit mit dazu: Häuser bauen. Obst, Gemüse und Getreide pflanzen und pflegen und ernten, um es dann zu genießen. Arbeit, die einen zufrieden machen kann. Arbeit, von der man sich ernähren kann. Und dann gehört dazu auch das Feiern und die Fröhlichkeit, das Wein trinken und Genießen. Und ganz gewiss gehört dazu auch das Singen und Tanzen voller Freude und Ausgelassenheit. Und dann gehört zu einem gelingenden, zu einem erfüllten Leben, in dem die Nähe Gottes spürbar wird, ganz sicher auch die Dankbarkeit. Sich dankbar behütet und getragen wissen. Sich dankbar geborgen wissen in den guten Händen Gottes, die auch Zerrissenes heilen können, auch das Zerbrochene zu einem guten und Ganzen zusammenfügen können, auch aus dem scheinbar Misslungenen einen neuen und guten Weg führen lassen. Und aus der Geborgenheit der Hände Gottes werden wir auch am Ende nicht herausfallen. Dann, wenn sich unser Leben vollendet, werden wir immer noch Gottes Güte und Fürsorglichkeit spüren können. Dann werden wir wissen, was „ewiges Leben“ bedeutet. Wir haben es schon jetzt, das ewige Leben, aber wir können es noch nicht fassen, noch nicht verstehen. Wir hoffen darauf, dass unser Leben mit Gottes Hilfe gelingt. Wir vertrauen darauf, dass wir in Jesus Christus die Fülle des Lebens feiern können. Ja, mit der Sprache der Jugendlichen können wir gelassen sagen: Yolo. Du lebst nur einmal; deshalb wollen wir jeden einzelnen Tag auskosten als eine gute Gabe aus Gottes Hand, ein Geschenk, das uns anvertraut ist.
Das neue Jahr ist immer ein Anlass für gute Wünsche, und ich will Ihnen meine guten Wünsche mit Segensworten von Jörg Zink auf den Weg geben:
Ich wünsche dir nicht ein Leben ohne Entbehrung,
ein Leben ohne Schmerz,
ein Leben ohne Störung.
Was solltest du tun
mit einem solchen Leben?
Ich wünsche dir aber,
dass du bewahrt sein mögest
an Leib und Seele.
Dass dich einer trägt und schützt
und dich durch alles,
was dir geschieht,
deinem Ziel entgegenführt.
Dass du unberührt bleiben mögest von Trauer,
unberührt vom Schicksal anderer Menschen,
das wünsche ich dir nicht.
So unbedacht soll man nicht wünschen.
Ich wünsche dir aber,
dass dich immer wieder etwas berührt,
das ich dir nicht recht beschreiben kann.
Es heißt Gnade.
Es ist ein altes Wort, aber wer sie erfährt,
für den ist sie wie ein Morgenlicht.
Man kann sie nicht wollen und erzwingen,
aber wenn sie dich berührt, dann weißt du:
Es ist gut. – Amen.
(Jörg Zink)
Pfarrerin Irene Ahrens-Cornely